Mittwoch, 15. Februar 2017

Eine Klingel am Schloss und die Suche nach Edwards Eiche - Kórnik und Rogalin

Obwohl im Januar unimäßig noch einiges auf dem Programm stand so zum Ende des Semester hin, habe ich die Zeit auch für kleinere Ausflüge nutzen können. An zwei winterlichen Samstagen ging es zusammen mit Chrissy nach Kórnik und Rogalin, zwei kleinere Orte in der Umgebung von Poznan, die mit historisch Schlössern locken. Doch wie es eben immer so ist, kam manches anders als geplant.

Für den ersten der beiden Halbtagesausflüge war eigentlich vorgesehen gewesen sowohl Kórnik als auch Rogalin nacheinander zu besuchen, schließlich liegen die Orte nicht weit voneinander entfernt. Beim Busticketkaufen gab es dann aber die erste Ernüchterung: es gibt weder eine Busverbindung zwischen den beiden Orten noch überhaupt einen Bus, der noch nach Rogalin fährt (den einzig sinnvollen hatten wir verpasst), geschweige denn zurück.

Nach Kórnik gab es aber zahlreiche Verbindungen, weshalb wir kurzerhand den Plan umwarfen und uns einfach nur dorthin aufmachten. Für gerade einmal 5zl fährt man ca. 20-30 Minuten bis zum Halt in der beschaulichen kleinen Ortschaft, die aufgrund der Lage in Autobahnnähe außerhalb des Marktplatzes auch größere Supermärkte und ein MacDonalds aufweist.

Der Marktplatz in Kórnik

Uns zog es aber weg von diesen zunächst in Richtung See, der vom Marktplatz aus durch eine Seitengasse sichtbar war. Bei Minustemperaturen und nicht gestreuten Straßen wurde der Weg bis zu der durch EU-Mittel geförderten Aussichtsplattform eine wahre Schlitterpartie.

Auch der See war zugefroren und bei wunderbar sonnigem Wetter konnte sogar ich als erklärte Todfeindin von allem was mit Winter, Eis und Schnee zu tun hat, mich der Schönheit dieses Anblickes nicht ganz entziehen.





Blick über den zugefrorenen See
Von der zugegebenermaßen ziemlich coolen Aussichtsplattform konnte man dann auch schon das Schloss in der Ferne erahnen, zu dem wir uns natürlich dann auch aufmachten, nachdem wir die wärmenden Sonnenstrahlen etwas genossen hatten.

Um das noch gute Wetter zunächst auszunutzen entschieden wir uns dazu, vor einem Besuch im Schloss durch den angrenzenden Park zu schweifen. Normalerweise muss man dort Eintritt bezahlen, doch wir schienen Glück zu haben, denn niemand saß im Kassenhäuschen und die Parktür war offen.





Der Park an sich war zwar durchaus ganz nett angelegt aber eben auch einfach nur ein Park und gerade im winterlichen Wetter gab es dort außer viel Schnee also nicht so viel zu entdecken. Einige Naturlehrtafeln und polnische Schilder waren alles, was wir fanden. Allerdings hat man vom Park aus einen guten Blick auf die Rückseite des Schlosses, dass früher eine kleine Verteidigungsanlage war und daher mit einem Burggraben umgeben ist.


Blick vom Park über den Burggraben auf das Schloss.

Insgesamt sah es von außen sehr klein aus, im Inneren sollte sich aber eine große, durchaus bekannte Bibliothek befinden. Nach unserem Rundgang durch den Park beschlossen wir also nun auch das Innere des Gebäudes zu erkundigen. Auf dem Weg über die kleine Brücke zu dem massiven Eingangsportal scherzten wir beim Anblick des zugezogegen Eisengitters vor der Holztür schon, dass nun bestimmt abgeschlossen sei.

Die Eisentür ließ sich aber beiseite schieben und sowohl Reiseführer als auch ein Zettel mit Öffnungszeiten bestätigte, dass Offen war. Nur die schwere Holztür schien das nicht mitbekommen zu haben. Sie wollte einfach nicht aufgehen. Nach kurzem Überlegen, was nun zu tun sei - es gab ja durchaus die Option, dass wir einfach zu blöd waren diese Tür irgendwie zu öffnen - fiel der Blick auf den eisernen Türklopfer, der etwa auf Augenhöhe befestigt war.

Sollen wir das wirklich machen? Es blieb ja kaum etwas anderes übrig. Gar nicht so einfach, mit diesem Ding anzuklopfen und wirklich laut war das auch nicht. Und jetzt? Ein zweiter Blick am Eisengitter entlang und - ist das etwa eine Klingel?

Tatsächlich ist an diesem alten Schloss mit dem Holzportal eine Klingel angebracht, die wir natürlich sogleich benutzten und uns prompt wie die Besucher bei adeligen Gastgebern vorkamen, als ein gut gekleideter älterer Herr - der Hausbuttler?- öffnete. Der nette Mann erklärte jedoch, dass das Schloss bis März geschlossen wäre - Rogalin könnte man sich aber ansehen, dort sei geöffnet.

Immerhin konnten wir an ihm vorbei einen kurzen Blick auf das Innere des Schlosses werfen bevor wir uns noch etwas in der Stadt umsahen und die Wartezeit auf den Bus zurück mit einem Muffin verkürzten.

Wieder zurück in Posen erkundigten wir uns dann noch einmal bezüglich der Busverbindung nach Rogalin um wenigstens eines der beiden Schlösser auch von Innen ansehen zu können. Nur an drei Samstagen in den Ferien, so die Information, gibt es eine passende Verbindung, bei der man ohne groß Umzusteigen oder ewig irgendwo in einem Kaff zu warten morgens nach Rogalin und nachmittags zurück kommt. Dieser Ausflug war also schon einmal für Ende Januar geplant.

Bei der Durchführung zeigten sich dann jedoch kleinere Probleme denn an einem der Samstage stiegen wir in Posen zwar in den richtigen Bus nach Rogalin, jedoch eine Station zu früh aus. Wie es dazu kam? Nachdem es bei den Überlandbussen keine Anzeige gibt und niemand sagt, wo der Bus hält, haben wir uns an der geplanten Ankunftszeit orientiert, schließlich sind die Transportmittel hier doch immer recht pünktlich.

Um genau 11:12Uhr, der geplanten Ankunftszeit hält der Bus also in einem kleinen Ort und nachdem wir uns nicht sicher sind fragen wir mal den Busfahrer: Rogalin? Er meint in vollkommen neutralem Tonfall: Rogalinek. Hier muss man nun wissen, dass im Polnischen je nach Fall die Endungen geändert werden, aus Poznan wird schonmal Poznaniu und so weiter. Wir denken uns also: Achso, Rogalin aber halt ein Fall, den wir noch nicht kennen, kein Problem! Und steigen aus.

Nur um dann bei einem Blick auf die Karte auf der Suche nach dem Schloss festzustellen, dass es eine kleine Ortschaft 35min zu Fuß von Rogalin entfernt gibt, die einfach Rogalinek heißt. Ernsthaft! Der nächste Bus geht natürlich in 6 Stunden...

Was blieb also anderes übrig, als sich an den Straßenrand zu stellen, den Daumen rauszuhalten und auf freundliche Vorbeifahrer zu hoffen. Tatsächlich ging es erstaunlich schnell, ein polnischer Autofahrer ohne Englischkenntnisse aber mit witziger Musik im Auto nahm uns beide deutschen Mädels mit kaum vorhandenen Polnischkenntnissen mit, aber irgendwie hat die Kommunikation doch gut geklappt.

Vor Ort angekommen hielt er an und gab noch eine kurze Ortsführung, zeigte nach links: Restauracja, dann nach rechts Zamek (Schloss), dass war dann sowieso schon alles, was es dort gab. Also stiegen wir auf und machten und auf den Weg zum Schloss, wo wir erst einmal wieder zurück zur Einfahrt geschickt wurden um das Eintrittsticket zu holen.


Blick von "vorne" auf das Schloss.

Die Dame dort sprach auch kein Polnisch, mit ein paar Brocken und viel Interpretationstalent gelang uns aber zu verstehen, dass es verschiedene Ticketstufen gibt, da das Gelände neben der Ausstellung im Schloss auch Bilderausstellungen beinhaltet, schließlich haben hier die künstlerisch veranlagten und interessierten Brüder Raczynski gelebt.

Vorsichtig fragen wir also einmal nach, was denn das Kombiticket kostet, für Schloss und die Kunstausstellungen. Die Frau tippt in ihren Computer, will die Studentenausweise sehen und verkündigt dann: Zwei zloty! Es stellt sich beim Bezahlen dann heraus, dass dies nicht der Preis für eines der Tickets ist, sondern schon die Gesamtsumme für uns beide.

Wir holen uns also die Karte für umgerechnet nicht einmal 25ct pro Person und fragen uns auf dem Rückweg zum Schloss ernsthaft, wieviel wir wohl hätten zahlen müssen, wenn wir nur eine der Attraktionen hätten besuchen wollen. 10ct, 5ct? Verrückt!


Blick über die geöffneten Türen in die Räume.


Für den Einlass ins Schloss gibt es dann eine bestimmte Zeit, wir holen uns die Audioguides und werden trotzdem von einer Mitarbeiterin begleitet, die dann die Türen öffnet und darauf achtet, dass wir auf den Teppichen bleiben. Schließlich sind die ganzen Sachen ziemlich alt und wertvoll.

Mich erinnert das Innere des Schlosses und auch die Art der Führung ein wenig an das Ellinger Schloss bei meiner Familie im Ort. Die Räume sind sehr schön hergerichtet und die Informationen aus dem Audioguide helfen, sich das Leben dort früher vorzustellen. Bis kurz vor den Weltkriegen wurde das Schloss sogar noch bewohnt.








Ein persönliches Highlight für mich ist die nach altem Vorbild wieder aufgebaute Bibliothek mit deckenhohen Bücherschränken und einer tollen Wendeltreppe. Der ganze Raum lädt dazu ein sich hinzusetzen und zu lesen, wenn nur die Bücher nicht auf polnisch wären und man denn Teppich nicht verlassen dürfte...

Besagte Bibliothek mit Wendeltreppe.

Nach der Schlossführung nutzen wir das Kombiticket -war ja schließlich teuer genug ;)- und sehen uns auch noch die beiden Kunstausstellungen an. Die kunstinteressierten Brüder hatten wohl auch ein bisschen zu viel Geld, denn die Gemälde dort, die nur einen Bruchteil der gesamten Sammlung darstellen, sind alleine schon unvorstellbar wertvoll.

Blick in einen Ausstellungsgang mit Porträts.


 Nach so viel Kultur machten wir uns also auf den Weg in den Park, der hinter dem Schloss liegt und neben einem tollen Blick auf die Rückseite des Gebäudes auch die drei bekannten Eichen Lech, Czech und Rus beinhaltet. Und natürlich die ominöse Edwards Eiche, die wir auf jedem Wegweiser ausgeschildert sahen aber nie fanden.

Blick vom Park auf die Rückseite des Schlosses.
Die bekannten Eichen der drei Nationen Tschechien, Polen und Russland, die auf eine Legende erinnern, waren jedoch kaum zu übersehen, denn ihr Alter sieht man ihnen an.

Der Legende zufolge machten sich die drei slawischen Brüder Lech, Czech und Rus auf Wanderschaft und während Lech in der Nähe von Posen zu bleiben beschloss, zog es Czech nach Süden und Rus nach Osten. Die drei sind dieser Geschichte zufolge somit die Stammväter der drei Nationen.







Wir ärgerten uns dann doch ein wenig, dass ausgerechnet die Eiche von Lech wohl einmal von einem Blitz getroffen wurde und in der Mitte gespalten nun keinen so majestätischen Anblick mehr abgibt. Czech ist zwar sehr groß aber absolut tot, da wächst wohl keine Eichel mehr dran und natürlich muss Rus die stämmigste, lebendigste der Eichen sein mit einem Stammumfang von 9 Metern. Hätte das nicht einmal anders sein können?

Die drei Eichen, von links hinten nach rechts vorne: Rus, Czech, Lech.

Aus Sorge um die Lech-Eiche hat man aber wohl vor einigen Jahren einen Setzling aus einer ihrer Eicheln gezogen und diesen nun in der Nähe eingepflanzt, damit die polnische Eiche auf jeden Fall noch weiterhin existiert oder man eben einen Ersatz hat, wenn sie demnächst einfach umfällt.

Nachdem wir die letzten Sonnenstrahlen im Park genossen hatten und eine nahe gelegenen Kapelle, die eher wie ein griechischer Tempel aussieht, besucht hatten, wollten wir uns in dem schon vom polnischen Autofahrer empfohlenen Restaurant etwas zu Essen gönnen um auf den Bus zu warten, der erst in 1,5 Stunden zu erwarten war.

Leider wurde daraus aber nichts, denn sowohl das empfohlene Restaurant als auch ein anderes direkt beim Schloss hatten geschlossen und so fanden wir uns etwas ratlos in der Nähe der Bushaltestelle wieder und trafen auf zwei ukrainische Mädls, die ebenfalls das Schloss besichtigt hatten und nun vor dem gleichen Problem standen wie wir.

Wieso also nicht etwas versuchen, was schon einmal geklappt hat? Auch wenn trampen zu viert natürlich so eine Sache ist, schließlich muss man erst einmal genug Platz um Auto haben und dann auch noch so nett sein anzuhalten. Aber an diesem Tag hatten wir wohl Glück, denn schon nach kurzer Zeit hielt wieder ein Auto und nachdem die beiden anderen sehr gut Polnisch sprachen, konnten sie auch besser verständlich machen, dass wir eigentlich am liebsten bis nach Posen mitfahren wollten.

Der ältere Herr war ohnehin unterwegs in diese Richtung und so landeten wir nach einer halben Stunde Fahrt zumindest am Stadtrand von Posen, kurz hinter dem Ortsschild bei einem riesigen Einkaufszentrumskomplex. Der nächste Bus von dort ging aber erst in einer halben Stunde.

So probierten wir den privaten Taxidienst Uber aus, bei dem Privatleute als Taxifahrer fungieren und einen per App Bestellung abholen und an den gewünschten Ort bringen. Da ein Bekannter in Krakau mir die App empfohlen und mich eingeladen hatte, hatte ich dort noch eine Freifahrt und so nutzten wir diese um bis zur nächsten Tramhaltestelle zu kommen.

Dort hieß es dann Abschied nehmen von den beiden Ukrainerinnen, mit denen wir uns ganz gut verstanden hatten. Eine ziemlich verrückte Rückfahrt aber vollkommen kostenfrei, spannender und schneller als auf den Bus zu warten. Und zumindest werde ich mich daran sicher noch lange erinnern...