Freitag, 7. April 2017

Für 5 Zloty ans Meer? - Spontaner Ausflug nach Thorn und Danzig

Wenn die Prüfungszeit vorbei ist, alle Hausarbeiten abgegeben und die Vorlesungen beendet sind, scheint es oft so als hätte man unendlich viel Zeit. Die kann man dann natürlich super vertrödeln indem man vor sich in den Tag hinein lebt, Serien streamt oder ein wenig im Internet surft. An genau so einem Chiller-Tag bin ich durch Zufall auf extrem günstige Fahrten der polnischen Busfirma polskibus gestoßen und habe spontan eine kleine Reise gebucht. Von Poznan nach Thorn und anschließend nach Danzig... und das ganze inklusive Übernachtung für unter 25€! Lest selbst...


Zuerst konnte ich es selbst nicht so recht glauben, als ich den Preis für die Busfahrt von Posen nach Thorn sah: lediglich 5 Zloty, also etwa 1,20€ kostete die zweistündige Fahrt. Aus Spaß habe ich mal nachgesehen, ob es von Thorn aus weitere günstige Fahrten gibt und tatsächlich, wieder 5 zloty! Was also eigentlich als Tagesausflug in die mittelalterliche Stadt Thorn gedacht war, endete in einer viertägigen Reise. Nachdem die Fahrten unter der Woche stattfanden waren auch die Hostelpreise mit maximal 5€ pro Nacht (in einem 12er Zimmer) quasi unschlagbar.

So war das ganze schnell gebucht und am Mittwoch, dem 8. Februar ging es Mittags los nach Thorn (poln. Toruń), der Geburtsstadt von Kopernikus. Gegen 16 Uhr nachmittags kam ich bei ca. -9 Grad Außentemperatur dort an und brachte meine Sachen zunächst ins Hostel, bevor ich einen kleinen Spaziergang durch die Stadt wagte.


Erster Eindruck von Thorn: Überall gibt es kleine Skulpturen, wie diesen Hund zu entdecken.

Bei schon langsam schwindenden Tageslicht und damit zunehmender Kälte schaffte ich es gerade die wesentlichen Sehenswürdigkeiten einmal kurz abzuklappern, bevor ich mich lieber auf ein Glas heiße Schokolade und ein Stück Kuchen in ein Café verzog. Dennoch schaffte es die Stadt schon in dieser kurzen Zeit mich in ihren Bann zu ziehen mit all den alten Gebäuden und dem kleinstädtischen Flair.

Dabei ist die Stadt mit etwas mehr als 200 000 Einwohnern gar nicht so "klein", wie es bei einem Rundgang durch die Altstadt erscheinen mag, denn während dort viele Geschäfte, Museen etc. in den Häusern angesiedelt sind, gibt es in den äußeren Bezirken durchaus auch hohe Plattenbauten, wie eine Besteigung des Rathausturmes mir am nächsten Tag zeigen sollte.


Blick vom Rathausturm über die Marienkirche auf die Plattenbauten im Hintergrund.


Kopernikusstatue

Vor diesem Aufstieg in luftige Höhen ging es für mich jedoch am Donnerstagmorgen zunächst einmal ins Stadtmuseum von Thorn -für Außenaktivitäten war es einfach viel zu kalt- wo ich einiges über die Geschichte der Stadt lernen konnte, die eng mit den Aktivitäten des Deutschen Ordens verknüpft ist. Die Stadt war auch Mitglied im Hansebund. Zu dieser Zeit wurde auch Nikolaus Kopernikus dort geboren. An ihn erinnert noch heute eine Statue vor dem alten Rathaus.


Im weiteren Verlauf der polnischen Geschichte fiel die Stadt mehrmals wieder in deutschen Besitz und wurde auch im zweiten Weltkrieg besetzt. Nachdem die Altstadt den Krieg nahezu unbeschadet überstanden hatte wurde sie Ende der 90er Jahre zum UNESCO Weltkulturerbe erklärt.







All diese verschiedenen Ereignisse sind in dem mehrstöckigen Museum, dass sich in einem riesigen alten Gebäude, dem so genannten Eskenhaus befindet, durch Ausstellungen und eine 3D-Filmvorführung sehr anschaulich dargestellt und es war dort auf jeden Fall wärmer als draußen :)

Nach einem kurzen Abstecher in eine Milchbar (günstige, kleine, kantinenähnliche Restaurants, die vor allem während des Sozialismus ihren Aufschwung hatten und noch immer vom Staat subventioniert werden) auf einen Teller Pierogi, ging es schon weiter ins nächste Museum: Das Museum des Thorner Lebkuchens.


Die liebevoll gestaltete Arbeitsstube im Museum des Thorner Lebkuchens.

Hier muss erwähnt werden, dass es von diesen Museen, die eine Art Workshop zum Lebkuchenbacken anbieten und diesen in ein kleines Schauspielstück verpacken, mehrere in der Stadt gibt. Das Herstellen dieser Thorner Leckerei scheint wohl eine gute Touristenattraktion zu sein.

Nachdem Nebensaison war, bestand meine Gruppe aus einem Haufen Kinder in Begleitung ihrer Eltern. Spaß hat es trotzdem gemacht und es gab extra eine englische Übersetzung für mich. Probieren konnte ich den von mir gebackenen Lebkuchen dann allerdings nicht, da bei der Herstellung nicht auf Lebensmittelstandards geachtet wird, quasi alle Kinder einmal den Teig durchkneten dürfen und daher extra darauf hingewiesen wird, dass die Lebkuchen nur zum Ansehen gedacht sind.


Eine Besonderheit der Stadt: Der schiefe Turm von Thorn, ein Wachturm in der Stadtmauer, der ein wenig in Schieflage geraten ist.

Nach einem weiteren Spaziergang durch die Stadt, an der alten noch erhaltenen Stadtmauer entlang und dem Erklimmen des Rathausturmes hieß es dann auch schon wieder Abschied nehmen von Thorn. Mein Bus nach Danzig (pol. Gdańsk) fuhr abends um 18 Uhr und setzte mich gegen 21 Uhr am Danziger Busbahnhof ab.

Am nächsten Morgen schlenderte ich bei unerträglichen Minusgraden durch die Altstadt und versuchte meine Hände wieder aufzuwärmen, nachdem ich für ein paar Sekunden die Handschuhe ausgezogen hatte um ein Foto von einer der vielen Sehenswürdigkeiten zu machen. Danzig war wie Thorn ebenfalls eine Hansestadt und wurde nach der fast vollständigen Zerstörung im zweiten Weltkrieg wieder nach historischem Muster aufgebaut.


Der alte Kran



Solche Informationen erhielt ich auf einer Free Walking Tour, die auch bei eisiger Kälte einige Leute anlockte für gut zwei Stunden wissenswertes über die Stadt zu erfahren. Zum Glück kam zumindest die Sonne heraus und wärmte mit ihren Strahlen ein wenig, doch da Danzig viele kleine Gässchen hat suchte man die Sonnenstrahlen manchmal vergebens im Schatten der dicht beieinander stehenden Häuschen. 

Ein altes Mühlhaus am Rande der Altstadt

Nachdem das kalte Wetter es nicht wirklich erlaubte lange Zeit draußen zu sein machte ich mich am Nachmittag auf ins Europäische Solidarność-Zentrum, ein sehr aufwändig und interessant gestaltetes Museum, dass über den Kampf gegen das kommunistische System in Polen informiert, der vor allem mit Gewerkschaftsbewegungen unter anderem auf dem Gelände der Danziger Werft begann, eben dort wo heute das Solidaritätszentrum steht.

Das gigantische Denkmal erinnert an Werftarbeiter, die während der Streiks ums Leben kamen.

Für mich war es sehr interessant diesen Teil der polnischen Geschichte kennen zu lernen und das Museum ist sicherlich eines der besten, die ich in meinem Leben je besucht habe. Anhand eines Audioguides wird man durch die Ausstellung geführt, die sich über mehrere Räume auf verschiedenen Stockwerken erstreckt und nicht nur Bilder und Schriftstücke sondern auch Kranteile aus der alten Werft, einen Polizeiwagen, zahlreiche Videoaufnahmen und vieles mehr enthält.

Mit dem Samstag brach dann auch schon mein letzter Tag in Danzig an und nachdem ich noch einmal für ein paar Fotos durch die Altstadt getingelt war und mir das historische Museum im alten Rathaus angesehen hatte, führte mein Weg mich dann auf einen kleinen Hügel hinter dem Bahnhof, von wo aus man einen tollen Blick über die Stadt hat. Sogar die Ostsee kann man dort in der Ferne erahnen.

Blick über Danzig bis auf die Ostsee in der Ferne.
Dieser Hügel stellte sich aber nicht nur als Aussichtpunkt heraus sondern war früher auch einmal eine Wehranlage. Die höhlenartigen Kammern beinhalten heute eine Ausstellung, die frei für Besucher zugänglich ist. Alles ist zwar auf polnisch doch durch Bilder und die dargestellten Szenen in jeder der Kammern kann man sich ein wenig zusammenreimen, was dort alles vor sich ging. So waren die Wehranlagen unter anderem während dem zweiten Weltkrieg in Betrieb und wurden nach Kriegszeiten für andere Zwecke, zum Beispiel für studentische Zwecke genutzt.

Nachmittags ging es auch schon wieder mit dem Zug in Richtung Posen zurück, diese Variante zeigte sich doch schneller als die Fahrt mit dem Bus. Dennoch ist es ein ganz schönes Stück von Danzig nach Posen, sodass ich letztlich abends ankam. Nach Danzig wird es mich aber sicher wieder einmal verschlagen, vielleicht im Frühjahr oder Sommer, wenn es deutlich wärmer ist und man auch die Nähe zur Ostsee für einen Strandbesuch ausnutzen kann.