Donnerstag, 20. Oktober 2016

Blumen, Minions und ein Lichtermeer - Allerheiligen

Allerheiligen, das jedes Jahr am 1. November stattfindet, gilt in Polen als drittgrößter Feiertag nach Ostern und Weihnachten. Das wollte ich mir natürlich auch nicht entgehen lassen und war auf einigen Friedhöfen der Stadt unterwegs. 

Schon seitdem ich hier bin wimmelt es in allen Läden nur so von Grablichtern. Es gibt sie in verschiedenen Größen, Formen und Farbmustern und in größeren Supermärkten nahmen die aufgestapelten Paletten schon einmal zwei ganze Gänge in Anspruch. So kündigte sich Allerheiligen schon lange im Vorhinein an und man konnte erahnen, welche wichtige Rolle das Schmücken der Gräber hier einnimmt. Als dann letzte Woche auch noch bekannt wurde, dass die Universität nicht nur am Dienstag, dem eigentlichen Feiertag, sondern auch Montag und Mittwoch auf Anweisung des Rektors geschlossen bleiben wird, weil die Studenten und Mitarbeiter zu ihren Familien und an die Friedhöfe reisen müssen, wurde deutlich, welchen Stellenwert Allerheiligen hat.

So richtig erstaunt war ich dann zum ersten Mal am 31.10., als ich beim Einkaufen im Supermarkt nur noch auf die kläglichen fünf übrig gebliebenen Grablichter in einem der Gänge stieß. Niemals hätte ich mir vorstellen können, dass diese Masse an Lichtern jemals ausverkauft sein könnte. Man kann sich vielleicht denken: Ich habe mir Allerheiligen in Polen ziemlich gigantisch vorgestellt und schon fest eingeplant einige der Friedhöfe zu besichtigen. Als ich das dann am 1. November umgesetzt habe, bin ich dennoch aus dem Staunen nicht mehr herausgekommen, denn meine Erwartungen wurden mehr als übertroffen.

Am Morgen von Allerheiligen habe ich mich zu Fuß auf den Weg zu einem recht nahen Friedhof gemacht. Schon gut 800m zuvor wusste ich, dass ich auf dem richtigen Weg bin, denn sowohl die Zahl der parkenden Autos, als auch die Menschenmengen, die in Richtung Eingang drängten wurden immer mehr. Vom Gefühl her so als wäre man auf dem Weg zu einer Großveranstaltung in Deutschland, nur dass die Stimmung natürlich nicht sonderlich ausgelassen ist. Schließlich geht es darum der Toten zu Gedenken.


Parkende Autos und Verkaufsbuden versperren den Blick auf die Friedhofsmauer


Direkt vor dem Friedhof dann, wurde ich schon wieder überrascht. Nicht nur verdichtete sich das Gedränge noch mehr sondern eine lange Reihe von Verkaufsständen entlang der äußeren Friedhofsmauer, zerstörte endgültig die Illusion, Allerheiligen wäre ein eher besinnliches Fest in Polen.


Einer der vielen Verkaufsstände, hier mit Lutschern verschiedenster Formen

Neben dem üblichen Grabschmuck wie Blumen, Kerzen und Co wird vor allem auch verschiedenes Gebäck, das von der Vielfalt der Formen an Lebkuchenwaren auf den deutschen Volksfesten erinnert, verkauft. Herzen konnte man ebenso finden wie Elefanten, Minions oder auch Halloweenkürbise und Facbooklikes, die es auch als Lutscher gab. Der Konsum hat also auch dieses Fest hier voll im Griff.

Ein Gebäckelefant (erkennbar v.a. an der polnischen Aufschrift), der die Rückfahrt in der überfüllten S-Bahn leider nicht unbeschadet überlebt hat.

Im Friedhof ging das Gedränge dann weiter, wobei sich die Menschen nach den ersten Metern schnell auf die zahlreichen Gräber verteilten und dort die mitgebrachten oder gekauften Lichter und Blumen gekonnt zu dekorieren. Einen so lebendigen und bunten Friedhof habe ich noch nie in meinem Leben gesehen. Natürlich muss man sich dort mit dem fotografieren zurückhalten, die meisten Bilder habe ich also "nur" im Gedächtnis gespeichert.

Ein verwackelter Eindruck der Farbenpracht...

... und ein schärferer der vielen Menschen.


Beim Verlassen des Friedhofes fiel mir ein großer LKW auf, vor dessen Ladefläche die Menschen Tüten voller alter Grablichter und dem ansonsten bei der Grabpflege des Tages angefallenen Müll abgeben konnten. Gut organisiert natürlich aber für mich war es doch sehr erschreckend zu sehen, welche Massen an Abfall dieser Brauch auch produziert.

Desillusioniert verließ ich den Friedhof morgens also wieder um die Leute dort ihrem geschäftigen Grab-Herrichten zu überlassen. Ob man wirklich Zeit und die Stimmung zum Trauern hat bei all dem Trubel, weiss wahrscheinlich nur, wer hier in Polen an Allerheiligen ein Grab zu besuchen hat.

Nachdem mir schon einige Dozenten an der Uni in den Seminaren empfohlen hatten am 1.November besonders abends über die Friedhöfe zu streifen, habe ich mich auch bei Anbruch der Dunkelheit auf den Weg gemacht und insgesamt drei Friedhöfe im Norden der Stadt besucht. Zu dieser Zeit waren schon deutlich weniger Leute unterwegs und die Grablichterpracht kommt in der Dunkelheit ganz besonders gut zum Ausdruck - ein Bild, das keine Kamera vollkommen einzufangen vermag.


Nur ein Ausschnitt der Lichterpracht

Der Durchschnitt der Lichter pro Grab lag bei gefühlten 10 Stück.

Leider hatte es auch angefangen zu regnen, was die Angelegenheit matschiger werden ließ und mir eine heftige Erkältung eingebracht hat. Trotzdem hat es sich gelohnt die einzigartige Stimmung der beleuchteten Friedhöfe mitzubekommen und etwas besinnlicher als noch am morgen zwischen den Gräbern zu wandeln.

Die Leute hatten wohl recht, Allerheiligen in Polen muss man erlebt haben und es ist ein gigantischer Feiertag. Trotzdem hinterlassen mich die Eindrücke des 1. Novembers auch nachdenklich und wie schon geschrieben desillusioniert.