Sonntag, 9. Oktober 2016

Meine polnische WG oder: Scheiße, niemand versteht mich!

So, nun sind die ersten Tage schon vergangen und ich kann ehrlich gesagt noch selbst gar nicht so recht glauben, dass ich nun wirklich nach Poznan gezogen bin um hier meine beiden Erasmussemester zu verbringen. Dass am Anfang nicht alles reibungslos läuft hatte ich schon geahnt, doch ehrlich gesagt wurde ich trotzdem in den ersten Tagen schon ziemlich überrascht.

Es stand ja eigentlich schon seit zwei Monaten fest, dass ich am 30. September um 4:30 Uhr aufstehen muss, um mich in den Zug um 5:05 zu setzen, der mich dann nach zweimal umsteigen in Nürnberg und Berlin nach Poznan bringt. So packt man also seine Sachen, schnappt sich seinen riesigen lila Koffer mit gefühlten 25kg und den Backpakerrucksack, der auch nicht gerade ein Fliegengewicht ist und schon geht die Reise los. Irgendwann beim Einsteigen in den Berlin-Warschau-Express habe ich dann glaub ich kapiert, dass es nicht nur eine Urlaubsreise wird.

Anzeigetafel Berlin-Warschau-Express
Anzeigetafel für den Berlin- Warschau - Express

Trotzdem ist es seltsam, wenn man dann die polnische Grenze überquert, der Zug erst einmal anhällt, weil die Lok ausgetauscht wird und plötzlich alles polnisch ist. Bis zur Grenze gehört der Zug zur deutschen Bahn, samt Personal und Co und in Polen dann zur polnischen Bahn - die Verteilen sogar gratis Wasser! So ging es dann langsam gen Poznan, das im deutschen auch als Posen bekannt ist.





Dort angekommen wurde ich von meiner polnischen Mentorin Gosia abgeholt und zu meinem Wohnheim gebracht. Um nicht in einem 10qm Doppelzimmer mit unbekanntem Mitbewohner zu landen, hatte ich mich vorab um ein privates Wohnheim gekümmert. Das liegt etwa 15 Minuten zu Fuß vom Bahnhof entfernt. Dort wurde ich von einem etwas gestressten Herren empfangen, der mir im Eildurchlauf das Zimmer zeigte und den Vertrag vorlegte - gut, dass ich den schon zuhause gelesen hatte.

Nachdem der Herr gegangen war und ich aus der Küche zwei Stimmen hören konnte, nahm ich also all meinen Mut zusammen um mich meinen neuen Mitbewohnern mal vorzustellen. Das Wohnheim kann man sich eher wie eine Ansammlung von WGs vostellen, bei der sich 5-11 Personen eine Wohnung mit Einzel- und Doppelzimmern, Bädern und einer Küche teilen. Bei dem engen Zusammenleben ist es also natürlich gut, wenn man sich mit den anderen Leuten versteht. Und genau hier lag mein Problem: Schon nach wenigen Sätzen wurde klar, diese studentischen Mitbewohner können kein Englisch. Da sich mein Polnischvokabular auf "Jestem Verena. Jestem z Niemiec", also etwa "Ich bin Verena aus Deutschland" beschränkte und ich auch daraufhin keine Reaktion erntete wurde schnell klar, dass es hier zu Problemen kommen konnte.

Wie schwer es ist mit Leuten zusammen zu leben, mit denen man sich nicht unterhalten kann, hat schon das erste Wochenende gezeigt, an dem ich auch viel in der Stadt unterwegs war und schon erste Erasmusleute kennen lernen konnte, die in einem benachbarten Wohnheim lebten. Schnell wurde mir klar: Ein ganzes Jahr lang halte ich das nicht aus.

Das alte Zimmer
Mein "altes" Zimmer. Es gab noch einen Schrank auf der linken Seite und ein Regal rechts neben dem Eingang.

Mein Vertrag mit dem Wohnheim beinhaltet auch die Option nach Möglichkeit das Zimmer wechseln zu können, doch als ich am Montag im Büro nachfragte, machte man mir wenig Hoffnung. Alle Zimmer sind reserviert, am Ende der Woche soll ich wiederkommen aber wahrscheinlich geht ein Wechsel frühenstens Anfang November. Das waren sehr niederschmetternde Neuigkeiten und so begleitete mich das Thema unzureichende Wohnungssituation auch die ganze Woche, in der nicht nur viele Einführungsveranstaltungen der Uni und der örtlichen Erasmusgruppe sondern auch allerhand organisatorisches auf dem Programm stand.

Am Freitag, also vorgestern geschah dann doch ein kleines Wunder: Ein erneuter Besuch bei der Wohnheimsleitung ergab, dass nur zwei Stunden zuvor ein Einzelzimmer im Neubau im Hinterhof des Wohnheims freigeworden war. Kurz darauf hatte ich einen Besichtigungstermin und entschied mich ohne zu zögern für das neue Zimmer, dass wohl alleine schon 3-4 Mal größer ist, als das alte und trotzdem gleich viel kostet.

Das neue Zimmer
Das neue Zimmer - Blick vom Eingang aus
 Schon beim Einzug begegnete ich auch den ersten Mitbewohnern, die mich auf Englisch begrüßten und mich sehr nett empfingen. Ich lebe nun in einem Wohnheimsgang mit 11 Leuten, die meisten sind polnische Studenten oder auch über Erasmus hier, wie die beiden italienischen Jungs im Nebenzimmer. Über diese Entwicklung und den Wechsel bin ich sehr froh und dankbar nun ein so schönes Zimmer und so nette Mitbewohner bekommen zu haben. So sehe ich nun deutlich optimistischer auf meine Zeit in Poznan und freue mich auf die neue Woche, die nun vor mir liegt.






Das neue Zimmer
Das neue Zimmer - Blick vom Fenster auf die Tür und das Bett
Demnächst werde ich euch auch von meinen ersten Kursen an der Uni und den Aktivitäten mit den Erasmusleuten berichten, habt ein wenig Gedulg, ich erhole mich erstmal noch von der ersten Wohnung, denn auch wenn es vielleicht für andere nicht ganz nachvollziehbar scheint so war das Wohnungsproblem doch eine große psychische Belastung für mich in der letzten Woche.